Lockerungen im Maßregelvollzug - Entscheidungsgrundlage und Verläufe

Ansprechpartnerin:
Christina Maaß, Kriminologin (M.A.)
0381 494 4815
christina.maas{bei}med.uni-rostock.de

Hintergrund:

Seit 2011 wurden in der Klinik für Forensische Psychiatrie Rostock mehrere Modellprojekte zum Thema Lockerungen im Maßregelvollzug initiiert. Primäres Ziel der Projekte war es, standardisierte und operationalisierte Faktoren zu identifizieren, um die Zuverlässigkeit von kurz- und mittelfristigen Prognoseentscheidungen zu erhöhen und somit die Entscheidungsgrundlage für die Gewährung von Lockerungen anhand einheitlicher und strukturierter Beurteilungskriterien zu optimieren, um ein effektives Risikomanagement zur Verhinderung von Zwischenfällen zu gewährleisten. Dabei erschien der Aspekt der Identifizierung von individuellen Risiko- und Schutzfaktoren innerhalb des Therapieverlaufs als Prädiktoren für das Auftreten von Zwischenfällen bzw. die erfolgreiche Bewältigung von Lockerungsanforderungen von besonderer Bedeutung. Daraus folgte die Anpassung der „Checkliste zur Vergabe von Lockerungen“ des Landes Mecklenburg-Vorpommern, welche Rückschlüsse auf den Therapiestatus und Behandlungsverlauf sowie eine individuelle Risikobeurteilung ermöglichen sollte.

Methodik:

Die Ergebnisse einer ausführlichen Literaturrecherche und Auswertung entsprechender kriminalprognostischer Verfahren sowie einer ersten Mitarbeiterbefragung in unserem Hause, führten zur Erstellung der ersten veränderten Version der Checkliste. Unter Berücksichtigung von entsprechenden statischen und dynamischen sowie Risiko- und protektiven Faktoren erfolgte eine neue Strukturierung der Checkliste mit Möglichkeit zur umfassenden Beschreibung der Patienten. Im Anschluss erfolgte die deskriptiv statistische Itemanalyse, deren Ergebnisse zur Selektion der Items, die für eine revidierte Fragebogenfassung anhand ihrer Itemschwierigkeiten, Varianzen und Trennschärfen am geeignetsten erschienen, führten.

Ergebnisse:

Im Rahmen der Evaluation des Instruments wurden 100 Checklisten ausgewertet und anhand der Testgütekriterien überprüft. Die Stichprobe umfasst 62 männliche Patienten zwischen 20 und 46 Jahren (M=29,21, SD=5,59), wobei 33 Patienten im o.g. Zeitraum zwei bis drei Anträge auf Lockerungsgewährung gestellt haben. Die mit 29 % am häufigsten beantragte Lockerungsstufe war die LS 1 (Ausführung unter Aufsicht von mindestens zwei Mitarbeitern der Klinik). Von den beantragten Lockerungsstufen wurden 92,9 % genehmigt, 3 % nicht genehmigt und 4 % zurückgestellt. Die Verteilung der Einweisungsdelikte ergab eine Häufung bei den Rohheitsdelikten (63 %), gefolgt von Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz (14 %), Eigentumsdelikten (12 %), Straftaten gegen das Leben (6 %), Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (2 %) und Brandstiftung (1 %). Die Verteilung der Diagnose Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (Kapitel 1 gemäß ICD-10) ergab eine Häufung für die Diagnose Abhängigkeit von Alkohol und Drogen (35 %), gefolgt von Abhängigkeit von Drogen (30 %) sowie der Abhängigkeit von Alkohol (21 %). Die Untersuchung der Suchtmittelgruppe zeigte den größten Anteil für polyvalenten Substanzgebrauch (67 %) und Missbrauch von Alkohol (22 %).

Diskussion:

Die in der Klinik entwickelte „Checkliste zur Vergabe von Lockerungen“ soll in Zukunft vor allem dazu dienen, Hochrisikopatienten schneller von den Patienten abzugrenzen, denen ein rascheres Durchlaufen der Lockerungsstufen möglich wäre. Zu beachten ist dabei, dass die Lockerungscheckliste kein eigenständiges (da noch nicht ausreichend evaluiertes und erprobtes) Risikoprognoseinstrument darstellt, sondern als strukturierte Grundlage zur Lockerungsgewährung gesehen werden muss. Die weitere Evaluation und Optimierung der Lockerungscheckliste ist auch aktuell unser primäres Ziel. Notwendig erscheint außerdem die weitere Validierung hinsichtlich Veränderungen in der Vergabe von Lockerungen seit Einführung der neuen Lockerungscheckliste.